Der folgende Bericht wurde verfasst von Georg Christian Friedrich Lisch und erschien in Verein für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. – Bd. 26 (1861), S. 11-16. Die Textvorlage stammt aus der Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern .
Die Canzler in dem güstrowschen Landestheile lassen sich nach der im J. 1520 vorgenommenen Landestheilung erst seit dem Anfange des J. 1526 verfolgen. Der erste güstrowsche Canzler war Dr. Wolfgang Ketwig, welcher am 6. Januar 1526 als Canzler angestellt sein wird, da die Markgrafen von Brandenburg späterhin sagen, daß seine Bestallung mit dem Tage der Heil. Drei Könige 1530 ablaufe und er nach andern Nachrichten auf 4 Jahre berufen war.
Ketwig stand zuerst in brandenburgischen Diensten, wie die brandenburgischen Geschichtschreiber sagen und aus spätern Aeußerungen der Kurfürsten, daß “er dieser Lande Gelegenheit erfahren” habe, hervorgeht. Sein Vaterland war bis auf die neuern Zeiten nicht bekannt; v. Ledebur sagt in seinem Adels=Lexicon, I, S. 428, daß er “vermuthlich aus Westphalen stamme und der Begründer eines mit dem Obristlieutenant Johann Wilhelm Lebrecht v. Ketwig 1) um das J. 1780 wieder erloschenen Geschlechtes geworden” sei, welches Güter in der Alt= und Neumark besaß, namentlich Matschdorf bei Sternberg. Seidel’s Bildersammlung verdienter Männer, Berlin 1751, enthält sein Bild und Nachrichten über ihn in dem Texte von Küster, welcher zum Theil aus einer Jubelrede von Sartorius vom J. 1606 geschöpft hat. Hiernach war Ketwig ein Mann von großen Geistesgaben und Rechtskenntnissen, welcher in Italien Doctor und sogar Rector der Universität zu Padua geworden war. Nach seiner Rückkehr in Deutschland ward er Canzler am brandenburgischen Hofe. Buchholtz in seiner Geschichte der Mark Brandenburg erzählt: “Kurfürst Joachim war auf dem Reichstage zu Nürnberg 1524 erst selber gegenwärtig; da es aber auf demselben sehr unruhig herging und er ohnedem in Lebensgefahr gerathen war, von einer trunkenen Köchin erschlagen zu werden, reiste er wieder weg und ließ Dr. Wolfgang Ketwigen, seinen Canzler, als Gesandten” allda.
Am 6. Jan. 1526 ging Dr. Wolfgang Ketwig in meklenburgische Dienste als Canzler. Ohne Zweifel überließ der Kurfürst Joachim I. ihn dem Herzoge Albrecht von Meklenburg=Güstrow, welcher seit zwei Jahren mit des Kurfürsten Tochter Anna vermählt war, um den seit einigen Jahren durch die Landestheilung ihm zugefallenen Landestheil zu ordnen; denn der Kurfürst schreibt selbst am 20. Mai 1529, an den Herzog, daß er “ihm hievor dem Herzoge zuzuziehen gnädig und geneigt erlaubt” habe. Am 9. Januar 1526 (“am dinstage nach trium regum”) verschrieb der Herzog Albrecht seinem “Canzler, Rath und lieben getreuen Ern Wolfgangk Ketwigk, der Rechten Doctori, und seinen männlichen Leibeslehnserben aus besondern Gnaden und auf geschehenen Vortrag, auch um seiner Dienste willen, die er sich vier Jahre lang laut seines Bestellbriefes zu thun verpflichtet” habe, ein Angefälle 2) von 1500 Gulden aus des Oswald v. Dohren Lehngütern (zu Rehberg bei Woldeck im Lande Stargard), sobald solche nach Dohrens Tode sich erledigen und heimfallen würden. Diese Verschreibung war nach der ganzen Fassung ohne Zweifel eine Folge der erst kurze Zeit vorher gegebenen Bestallung. Dr. Wolfgang Ketwig wird sowohl in dieser Verschreibung, als in einem spätern Briefe und in der Bestallung des Kurfürsten von Brandenburg mit dem Titel “Ern” (Abkürzung aus “Herr”) geehrt, welcher nur Rittern und Priestern zukam, Beides war Ketwig aber nicht; es mag daher wohl sein hoher Rang als Doctor und Canzler diese Titulatur ausnahmsweise veranlaßt haben.
Das Geschlecht der Dohren auf Rehberg starb aber erst am Ende des 17. Jahrh. aus, und es mochte sich wohl bald herausstellen, daß das Aussterben noch nicht zu vermuthen sei. Deshalb verschrieben am 11. Nov. 1527 die Herzoge Heinrich und Albrecht von Meklenburg ihren Canzlern Caspar v. Schöneich und Dr. Wolfgang Ketwig jedem die Hälfte der Lehngüter, welche durch das Erlöschen des Geschlechts der Stalbom nach dem Tode des Vicke Stalbom erledigt und an die Lehnherren heimgefallen waren, nämlich des Gutes Ballin im Lande Stargard, welches zwar dem Rath Henning Behr verschrieben war, aber da auch dieser keine Leibeslehnserben hatte, auch wieder zu Falle stand, und des Gutes Rosenow im Amte Stavenhagen. Die Herzoge verliehen diese Güter ihren Canzlern wegen ihrer getreuen Dienste und besonders dafür, daß sie ihre Archive in Ordnung bringen 3) sollten “(unser Privilegien, Briefe, Siegel und Handlungen zu Schwerin in unser beider Gewölb verwahrt zu besichtigen und zu registriren”). Diese Güter kamen in den Besitz der Canzler. Bernd und Joachim v. Ketwig, Söhne, und Wolfgang v. Ketwig, Enkel des verstorbenen Canzlers Wolfgang v. Ketwig, “Vettern,” auf Matzdorf erbgesessen, verkauften am 11. Nov. 1554 die Hälfte des Gutes Ballin an den Burgemeister Eitel Schencke zu Neu=Brandenburg auf 24 Jahre für 500 Gulden, und am 11. Nov. 1563 die Hälfte des Gutes Rosenow an ihren “Schwager” Joachim v. Arenstorf, welcher “Vicke Stalboms eine Tochter zur Ehe hatte, zu einem ewigen Kaufe” für 850 Gulden.
Ueber die kurze Zeit der Wirksamkeit des Canzlers Ketwig in Meklenburg ist bisher nichts bekannt geworden; so viel ist aber gewiß, daß der Herzog Albrecht und seine Gemahlin Anna, so lange Ketwig ihnen zur Seite stand, sich zur lutherischen Reformation 4) hielten, aber gleich nach seinem Abgange unter der Einwirkung strenge papistischer Canzler und Räthe wieder zur katholischen Kirche zurücktraten. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Canzler großen Einfluß auf den Herzog und dessen Gemahlin übten, wenn es auch möglich sein mag, daß der Herzog sich Canzler nach seinem Sinne wählte.
Im J. 1529 verließ Ketwig seine Stellung in Meklenburg und trat als Canzler wieder in brandenburgischen Dienst.
Nach einem Schreiben des Kurfürsten Joachim d. ä. von Brandenburg vom 20. Mai 1529 (“Cölln a. d. Spree, dornstags nach pfingsten”) war der brandenburgische “alte Canzler Doctor Sebastian Stublinger mit Krankheit seines Leibes fast beschwerlich beladen, daß er seines Amtes übel abwarten konnte”. Schon im März hatte der Markgraf Joachim d. j. den Herzog Albrecht gebeten, seinem Canzler Dr. Ketwig Urlaub zu einer Reise an den brandenburgischen Hof und zu dem brandenburgischen Dienst zu geben, der Herzog dies aber, nach dem von dem schwerinschen Canzler C. v. Schöneich entworfenen Schreiben, abgeschlagen; der Markgraf wiederholte daher am 11. April (“Bernewitz, Sontags Misericordia domini”) die Bitte, demselben baldigst auf ungefähr acht Tage Urlaub zu gönnen, da er “wegen seiner Nothdurft und Sachen mit ihm zu reden” habe. Der Herzog schlug aber dem Dr. Ketwig wieder den Urlaub ab und ließ dabei die Vermuthung durchblicken, als wolle der Kurfürst ihm “seinen Canzler abtrünnig machen”. Da bat der Markgraf am 23. April (“Rathenow, freitags nach Jubilate”) zum dritten Male und sprach unverhohlen aus, daß er die Weigerung nicht vermuthet habe; sein Herr Vater der Kurfürst sei um einen andern Canzler bemüht, weil der bisherige Canzler mit Schwachheit und Unvermögenheit beladen sei, und habe aus eigenem Bewegen den Dr. Ketwig, ohne dessen Wissen, dazu vorgeschlagen und ihm die Unterhandlung mit demselben befohlen; er habe auch seinen Herrn Vater abzurathen nicht gewußt, da er ihn dazu “geschickt und geübt, und sonderlich als einen der dieser Lande Gelegenheit erfahren kenne, dem die Unterthanen von Adel und Städten fast zugethan und geneigt seien”, und bitte deshalb noch einmal um Beurlaubung des Dr. Ketwig, in der Hoffnung, daß es die Wege erreiche, daß er sich in brandenburgischen Dienst begebe, da dies dem Herzoge eben so sehr und viel mehr förderlich sein werde, als wenn er an dem herzoglichen Hofe bliebe. Darauf wird Ketwig Urlaub zur Reise an den brandenburgischen Hof erhalten haben. Am 20. Mai 1529 (“Cöln a. d. Spree, dornstags nach pfingsten”) erklärte der Kurfürst Joachim von Brandenburg dem Herzoge Albrecht geradezu, daß er “den hochgelehrten seinen Rath und lieben getreuen Ern Wolfgang Ketwig Doctor zum Canzler bestellt” habe, und bat, denselben schon zu nächstem Johannis zur Uebernahme des brandenburgischen Canzleramtes zu beurlauben, da er früher nicht allein ihn, sondern auch seinen Arzt Doctor Sebastian Schwarzwalder auf längere Zeit dem Herzoge überlassen habe. Dasselbe theilte Joachim d. j. am 21. Mai (“Cöln a. d. S., Freitags nach dem heiligen pfingstage”) dem Herzoge mit und bat um Verabschiedung des Canzlers zu Johannis, obgleich dieser dem Herzoge noch bis zu nächstem Heil. Drei Königs=Tage mit Diensten verwandt sei. Am 7. Junii 1529 (“Cöln a. d. Spree, montags nach octavas corporis christi”) bestellte 5) der Kurfürst Joachim “den hochgelehrten seinen Rath und lieben getreuen Ern Wolffgang Ketwig, der Rechte Doctor, zum Canzler die Zeit seines Lebens” und verschrieb ihm ebenfalls für “1500 Gulden Werth Güter zum Angefälle”, in Ansehung daß er die Zeit seines Lebens dienen wolle. Der Herzog Albrecht sperrte sich zwar gegen die Entlassung, aber die Markgrafen Joachim, Vater und Sohn, erklärten ihm am 14. Junii (Montags am Abend Viti, Cöln a. d. Spree) 1529 in einem gemeinschaftlichen Schreiben, daß, da die Handlung vollzogen sei und nicht zurückgehen könne, er den Canzler baldmöglichst, spätestens zu Jacobi (25. Julii), entlassen möge.
Seit dieser Zeit finden wir den Dr. Wolfgang Ketwig als Canzler in brandenburgischen Diensten. Nach Buchholtz Geschichte der Kurmark Brandenburg, III, S. 348, war er im J. 1530 im Gefolge des Kurfürsten auf dem Reichstage zu Augsburg. Ketwigs Abgang war ohne Zweifel ein großer Verlust für Meklenburg, während die Mark Brandenburg in einer sehr wichtigen Zeit großen Gewinn 6) von seiner ausgezeichneten Wirksamkeit zog.
Ketwig blieb fortan mit dem Herzoge Albrecht in schriftlichem Verkehr und gab ihm oft sowohl im Namen des Kurfürsten, als für sich selbst offenen und ehrlichen Rath. Es liegen z. B. ausführliche Briefe aus “Berlin” aus den Jahren 1531 und 1535 an den Herzog vor, welche er als “Doctor “und Cantzler” unterzeichnet. Man hat hieraus irrthümlich geschlossen, daß er damals noch meklenburgischer Canzler gewesen sei, um so mehr, da er um Johannis 1535 zur Zeit der dänischen Grafenfehde sagt, daß er mit dem Herzoge “als seinem Landesfürsten und gnädigen Herrn ein treuliches und herzliches Mitleiden trage”, was sich wohl noch auf die frühern Verhältnisse bezieht.
Ketwig starb im J. 1541. In Seidels “Bildersammlung” steht: “Seidel setzt seinen Tod, welchen der Kurfürst selbst beklagt haben soll, ins 1541 Jahr und merkt an einem gewissen Orte an, daß er in Berlin in der Nicolai=Kirche vor dem hohen Altare begraben worden. Das ihm zu Ehren errichtete Denkmal war ungefähr 1641 Alters halber heruntergefallen und nicht wieder in den alten Stand gesetzet worden.”
Ketwigs Nachfolger im brandenburgischen Canzleramte war Johann Weinlöb (auch Weinleb und Weinleben genannt) aus Treuenbriezen, welcher schon im J. 1541 Canzler genannt wird, also sicher Ketwigs Nachfolger war, und am 10. Febr. 1558 starb und ebenfalls in der Nicolai=Kirche zu Berlin begraben ward.
1) v. Ledebur a. a. O. giebt als Wappen der Familie v. Ketwig an: im blau und golden quer getheilten Schilde ein nackter Bogenschütze, der sich in einen Fischschwanz endigt. – Zwei vorliegende kleine Siegel des Dr. Wolfgang Ketwig, welche etwas gedrückt sind, scheinen dasselbe zu enthalten: im Schilde ist ein Mann mit Fischschwanz zu erkennen, auf dem Helme ein wachsender Mann zwischen zwei Hörnern; neben dem Helme stehen die Buchstaben:
W [V]
K D V[C]
d. i. Wolfgang Von Ketwig Doctor Vnd Canzler. Das letzte C ist etwas undeutliche jedoch erscheint der Buchstabe gebogen; sonst würde man auch: DVI (Doctor Vtriusque Iuris) lesen können. – Ein gleiches Wappen führen 1533 seine Söhne im Siegel.
2) Am 2. März (Esto mihi) 1522 hatte der Herzog Heinrich seinen Canzler Caspar v. Schöneich mit den heimgefallenen Gütern der ausgestorbenen Familie v. Schönfeld, mit den Hauptgütern Schönfeld und Santow und deren Zubehörungen, belehnt.
3) Vgl. Anlage.
4) Vgl. Anna von Brandenburg, von G. C. F. Lisch, in Jahrb XXII, S. 8 und 14 flgd.
5) Die kurfürstliche Bestallung für Dr. Wolfgang Ketwig vom J. 1529 ist gedruckt in v. Raumer Codex dipi. Brand, contin. II, p. 265
6) Sartorius a. a. O. sagt von ihm: “Omnia sua consilia ad scopum et ultimum jurisprudentiae finem, videlicet ad gloriam dei, administrationem justitiae et conservationem scholarum et ecclesiarum direxit.”